An einem samstagnächtlichen Abend machte ich mich von Cancún aus auf den Weg nach Chetumal, um einen ganzen Sonntag lang die Umgebung zu erkunden. Mein Ziel? Die oft übersehenen Maya-Stätten Kohunlich, Kinichná und Dzibanché im tiefen Süden von Quintana Roo – Orte, die selbst viele Mexiko-Kenner nicht auf dem Schirm haben.

Lageplan von Dzibanche, Kinichná und Kohunlich. Auf Google Maps ansehen.

Karte der archäologischen Stätten Dzibanche, Kinichná und Kohunlich.

Eigentlich wollte ich früh aufbrechen, doch heftige Magenkrämpfe durchkreuzten meine Pläne. Ich versuchte, die Schmerzen zu ignorieren – ein paar Löffel Müsli mit Obst, ein oberflächliches Gespräch im Hostel – doch mein Fieber stieg genauso schnell, wie meine Laune sank. Zum Glück (wenn man das so nennen kann) kannte ich das Prozedere bereits: Ruhe, Toilette, Wasser, Durchhaltevermögen. In endloser Wiederholung.

Gegen Mittag hatte sich mein Magen beruhigt. Jetzt hieß es: Transport organisieren! Die Doppelruine Dzibanché-Kinichná lag auf meiner Route, Kohunlich strich ich mangels Zeit. Nach einer Stunde Wartezeit stieg ich in eine klapprige Combi, die mich 15 km vor den Ruinen absetzen würde. Die Hitze klebte wie eine zweite Haut, die Sitze schienen für Kobolde gemacht – perfekte Voraussetzungen, um im Smalltalk mit Mitfahrern zu flüchten. So lernte ich Germán kennen.

Germán zeigt Richtung Chetumal am Horizont.

Germán deutet auf Chetumal am Horizont.

Germán stammt aus Morocoy, dem nächstgelegenen Dorf zu Dzibanché. Für ihn sind die Ruinen seit Kindertagen präsent – als Spielplatz, Versteck bei Verabredungen, Teil der Alltagslandschaft. Nach einer schweißtreibenden Fahrt, einem Tramp-Stopp und der Anmietung eines klapprigen Dorfautos erreichten wir endlich Dzibanché.

Dzibanché: Wo die Zeit die Namen vergisst

Dzibanché: Tempel der Türstürze (Templo de los Dinteles).

Der Tempel der Türstürze – Namensgeber der Stätte.

Update 2025: Der Eintritt für ausländische Besucher beträgt 85 MXN (ca. 3,86 EUR*), geöffnet ist täglich von 8:00 bis 17:00 Uhr. Letzter Einlass um 16:30 Uhr.

Zu meiner Freude waren wir die einzigen Besucher in der gesamten Anlage. Die Nachmittagssonne tauchte die Steine in warmes Gold – als wollten die uralten Gebäude beweisen, dass sie 2000 Jahre Widerstandskraft in jedem Mauerwerk tragen. Der Name „Dzibanché“ (Maya für „Schrift auf Holz“) leitet sich von einem geschnitzten Holztürsturz ab. Doch wie hieß diese Stadt wirklich zur Blütezeit? Die Frage ließ mich nicht los: Wie viele Jahrhunderte müssen vergehen, bis selbst der Name einer Zivilisation in Vergessenheit versinkt?

Dzibanché: Tempel mit angedeutetem Gesichtsrelief.

Ein Tempel, dessen Steine noch das Fragment eines Gesichts erahnen lassen.

Beim Durchstreifen der Plaza major malte ich mir aus, wie hier einst Tausende Menschen handelten, beteten, lebten. Vor gerade einmal 12 Jahrhunderten pulsierte hier das Leben von bis zu 1 Million Maya. Plötzlich spürte ich diese Vergangenheit – als ob die Steine mich beobachteten.

Grabkammer des Herrn von Dzibanché.

Die Grabkammer des „Señor de Dzibanché“ – ein Blick in die Bestattungskultur der Elite.

Hier wird klar: Die Maya wollten nicht einfach existieren, sie wollten Spuren hinterlassen. Ob durch monumentale Bauten oder winzige Gravuren – ihr Wille zur Unsterblichkeit ist in jedem Stein spürbar.

Kinichná: Wo die Sonne wohnt

Achtung: Kinichná liegt nur 2 km von Dzibanché entfernt und ist im selben Ticket inklusive. Ein Shuttle-Service (20 MXN/0,90 EUR*) verkehrt zwischen den Stätten.

Als die Sonne tiefer sank, hetzten wir zu „Kinichná“ – dem „Haus der Sonne“. Diese Akropolis wirkt wie ein natürlicher Altar: Von ihrem Gipfel aus sieht man bis zur Laguna de Bacalar. Die Stufen erklimmt man nicht einfach, man besteigt sie – jeder Schritt ein Dialog mit der Geschichte.

Blick von der Akropolis Kinichná über den Dschungel.

Der Blick vom Sonnentempel – grün soweit das Auge reicht.

Nach Abschied von Germán und einer Mitfahrgelegenheit nach Chetumal trat ich die Rückreise nach Cancún an. Mein Rucksack? Gefüllt mit Freiheit, Staunen und der Gewissheit: Die größten Abenteuer liegen oft abseits der Reiseführer.

Praktische Tipps für deinen Besuch

Combi ab Chetumal: Die Sammeltaxis nach Morocoy starten an der Avenida Andrés Quintana Roo, nahe dem Pantojas-Restaurant. Kosten: ca. 80 MXN (3,64 EUR*) pro Strecke.
Übernachtung: Einfache Gästehäuser in Morocoy ab 300 MXN (13,64 EUR*)/Nacht.
Guide buchen: Lokale Guides (Spanisch/Mayathan) ab 500 MXN (22,73 EUR*) für 2 Stunden.

*Währungsumrechnung zum Stand 2025: 1 EUR = 22 MXN

Weiterführende Links

INAH-Offizialseite zu Dzibanché (Spanisch/Englisch)
Karibisches Mexiko – Reiseinfos zur Grand Costa Maya